Schade um den Güterbahnhof

«Die SBB sind sich ihrer Verantwortung um das eisenbahnhistorische Erbe bewusst», schrieb Toni Häfliger, Leiter der SBB-Fachstelle für Denkmalschutzfragen, im Vorwort des 2005 erschienenen Spezialinventars der Zürcher SBB-Gebäude. Dennoch sieht es danach aus, dass der Zürcher Güterbahnhof bald abgebrochen wird. Das ist jammerschade. Der Güterbahnhof ist nicht umsonst im Inventar der schützenswerten Denkmäler aufgelistet.

Gebaut wurde der Güterbahnhof 1896 von Alfred Eschers Nordostbahn. Die Fassaden sind – anders als der Hauptbahnhof – mit gelb-roten Backsteinen gebaut, so wie viele Industriebauten, die im 19. Jahrhundert in der Region erstellt wurden. Nur der mit Sandstein verkleidete Eingang wirkt ein bisschen pompös. Laut dem SBB-Spezialinventar wurde das Konzept des Güterbahnhofs «zum Vorbild für weitere Anlagen im In- und Ausland.» Und dieser prächtige Bau soll jetzt plattgewalzt werden?

Architekturkenner loben die «platzsparende säge- bzw. staffelförmige» Anordnung der Ladegleise. Der Vorteil dieser Staffeln: Die Bahn konnte gleichzeitig viele Güterwagen herankarren, ausladen und wieder wegziehen.

Seit 1996 werden im Zürcher Güterbahnhof keine Güter mehr ein- und ausgeladen. Die Schienen sind rostig. Doch die Hallen sind begehrt. Künstler und Eventorganisatoren nutzen sie. Im kühlen Keller haben sich Weinhändler eingemietet.

Das Spezialinventar lobt auch die «Gusseisensäulen, welche die Flachdächer mit sattelförmigen Oberlichtern tragen. Sie zeigen eine barocke Basis, aus welcher der Säulenschaft mit dem Schwung einer Papyrossäule wächst. Die sichtbaren Verschraubungen zeigen jedoch ungeschminkt die konstruktive Eigenart.»

Vor drei Jahren zeigten Schülerinnen und Schüler der HGKZ ihre Abschlussarbeiten in der Güterhalle der Empfangsseite.

Auch wenn in der Stadt der Platz knapp ist und der Güterbahnhof keine maximale Ausnützung des Grundstücks möglich macht, sollte der Güterbahnhof unbedingt erhalten bleiben. Wenn er weg ist, erinnert nichts mehr daran, dass hundert Jahre lang ein grosser Teil der Güter der Stadt mit der Bahn heran- und wegtransportiert wurde.

Wenn ein neues Polizeizentrum gebaut werden muss, kann man dafür die Kaserne opfern, die, anders als der Güterbahnhof, nie irgendeinen Nutzen für Zürich hatte.

Fotos: Andreas Gossweiler

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3 Antworten zu Schade um den Güterbahnhof

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