Wenig ist geblieben von der einst dicht bebauten Chemnitzer Innenstadt. Die prächtigen Gründerzeitstrassen kann man nur noch auf Fotos anschauen. Wenige Häuser sind nach dem Zweiten Weltkrieg stehen geblieben. Zum Glück ist eines der besten Gebäude vom Bombenhagel verschont geblieben: das Kaufhaus Schocken. Die sanft gewölbte Fassade ist frisch herausgeputzt und liebevoll restauriert, seit ein archäologisches Museum in den riesigen Bau eingezogen ist.
Ein sehr ähnliches Gebäude steht in Zürich: das Zett-Haus. Da fragt man sich: Wer hat die Idee der gewölbten Fassade von wem abgekupfert? Eine knifflige Frage, denn die beiden Gebäude wurden ungefähr gleichzeitig gebaut. Das vom visionären Architekten Erich Mendelsohn geplante Kaufhaus Schocken wurde 1930 eröffnet, das von Rudolf Steiger und Carl Hubacher entworfene Zett-Haus zwei Jahre später. Vielleicht ist die Frage, wer die Form erfunden hat, nicht so wichtig. Neue Formen und kreative Ideen wurden mit Architekturzeitschriften in der ganzen Szene bekannt gemacht und dienten als Inspirationsquelle.
Interessant sind die Unterschiede zwischen den Gebäuden: Das Kaufhaus Schocken hat seitlich zwei auffällige Treppenhauszonen und drei zurückversetzte Dachgeschosse. Das Zett-Haus hat vergleichsweise grössere Fenster, vor allem im ersten Stock und nur ein ebenfalls zurückversetztes Dachgeschoss. Die Lage des Schocken-Hauses an einer vielbefahrenen Kreuzung ist imposanter. Die Linienführung der Fassade des Zett-Hauses weist zu einer Nebenstrasse hin und nimmt somit eine räumliche Bedeutung in Anspruch, die dem Bau an dieser Lage eigentlich nicht zusteht, was allerdings die Eleganz des Gebäudes an sich nicht schmälert. Im direkten Vergleich finde ich das Kaufhaus Schocken eindrücklicher und auch grosszügiger.
Fotos: Andreas Gossweiler