Wir müssen nicht twittern

Twitter ohne Twitterskandale kann man sich fast nicht vorstellen. Seit getwittert wird, geraten Leute ins mediale Kreuzfeuer, weil sie irgendwas geschrieben haben, das von anderen Leuten als skandalös empfunden wird. Dies dürfte eine Folge der hybriden Natur des Mediums sein: es lädt ein zu schnellem, spontanem Ausdruck, ähnlich einer mündlichen Konversation. Doch das Publikum ist meistens viel grösser als bei einer mündlichen Unterhaltung. Daraus ergibt sich eine Inkongruenz zwischen der intendierten Resonanz und der Wahrnehmung der Kurztexte.

In letzter Zeit stand unter anderem ein Tweet der Bundesrätin Doris Leuthard in der Kritik, die nach dem Charlie-Anschlag schrieb (oder schreiben liess), Satire sei kein Freipass, aber legitimiere andererseits Gewalt dann doch nicht.

Eine andere Katastrophe hatte wiederum einen kleinen Twitterskandal zur Folge. Der Boulevardjournalist Thomas Benkö twitterte zum Germanwings-Absturz: «Xxxxxx Xxxx (Name des Copiloten), wieso konntest du nicht alleine gehen?» Auch dieser Spruch erzeugte Protest. «Thomas Benkö, wieso konntest du das nicht für dich behalten?» war eine der freundlicheren Repliken. Der Internetjournalist Stefan Niggemeier meinte dazu schlicht: «Bäh». Kritisiert wurde die vorschnelle Darstellung der Suizid-Hypothese als erwiesene Tatsache und auch das Nennen des Namens.

Solche Tweets sind immer Geschmackssache. Doch weil es sich um Unglücke handelte, gingen die emotionalen Wellen hoch. Für die Charlie-Deutung der Bundesrätin hatte ich persönlich ein gewisses Verständnis. Die schnelle Kritik am Copiloten samt Namensnennung fand ich überflüssig. Mir ist herzlich egal, wie der Copilot hiess. Und die schnelle Interpretation der Unglücksursache passt zum Stil von Boulevardmedien, ist aber medienethisch heikel.

Doris Leuthards Pressestelle versuchte nach dem Shitstorm den Schaden zu begrenzen, indem sie von einem «Missverständnis» sprach. Benkö hingegen verteidigte sich, der Staatsanwalt habe den Namen «via Live-TV verkündet». Wie wenn das ein zwingender Grund wäre, den Namen via Twitter sofort weiter zu verbreiten.

Was lernen wir aus solchen Twitterskandalen? Erstmal: Solche Skandale sind spielend leicht vermeidbar. Denn niemand erwartet von einer Bundesrätin oder vom «Deputy Editor-In-Chief» eines Gratisblatts (so die Selbstdarstellung Benkö), dass diese Personen kurze Zeit nach einer Katastrophe eine Meldung über Twitter absetzen. Für das Twittern origineller oder bestürzter Sprüche sind sie nicht gewählt worden und auch nicht angestellt. Kein Mensch macht Leuthard oder Benkö einen Vorwurf, wenn sie auf schnelle Interpretationen von Katastrophenfällen verzichten. So einfach ist das. Deshalb ist das beste Rezept, um Shitstorms zuvorzukommen, gleichzeitig das einfachste Rezept: nichts zum Unglück twittern. Oder nur unverfängliche Texte.

Über agossweiler

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Eine Antwort zu Wir müssen nicht twittern

  1. Ueberdiek schreibt:

    hallo.Ich bin eine moderne,erwachsene Frau.Ich finde,die Schamlippen stehen nicht mehr im Fogus,wenn man zu viel Haar lässt…Hat man schöne Strucktur,will man sie zeigen.Und die Männer lieben es.Man sollte nur aufpassen,ein bischen Haar zu lassen,zum Beispiel,strich.Das ist toll,und man will ,eine selbstbewusste,kluge Frau zeigen.Das klappt.Denkt darüber nach,ihr Frauen da draußen…

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