Englische Frauen, die während des Zweiten Weltkriegs mit US-amerikanischen Soldaten in Kontakt kamen, fanden diese «sehr direkt, sehr undelikat». Die Soldaten wiederum hatten den Eindruck, die Engländerinnen seien «taktlos, leicht zu verführen und dächten nur an das Sexuelle».
Was war der Grund dafür? In den USA gilt ein Kuss als harmlose Sache, die man schon relativ bald während des gegenseitigen Kennenlernens riskieren kann. In England gilt der Kuss hingegen als sehr erotische Sache, quasi als Einladung zum Sex. Deshalb glaubten die Engländerinnen, der US-Soldat wolle sie zum sofortigen Beischlaf verführen, wenn er sie zum ersten Mal küsste. Und sie verhielten sich entsprechend. Dies wiederum irritierte die amerikanischen Soldaten.
Für den Psychologen Paul Watzlawick zeigt dieses Beispiel: Entscheidend für das menschliche Zusammenleben ist die Beziehung zwischen zwei Personen, nicht der Soldat oder die Engländerin. Kommunikation verläuft immer auf zwei Ebenen – wichtig ist nicht nur der Inhalt einer Botschaft, sondern auch die Beziehung zwischen Sender und Empfänger. Und wir konstruieren die Wirklichkeit immer durch Kommunikation.
Paul Watzlawick: «Die Lösung ist immer der beste Fehler», Carl-Auer Verlag 2021