Ein Tag in Salsomaggiore

Jede halbe Stunde fährt an Werktagen ein Regionalzug die kurze Stichlinie von Fidenza nach Salsomaggiore Terme hinauf, an Feiertagen immerhin jede Stunde. Bei der Einfahrt in den monumentalen Bahnhof wird sofort klar: Der Zug ist in einer anderen Welt angekommen. Vor dem Bahnhof breitet sich der Kurpark aus. Eine Neptunstatue blickt auf den Teich. Auf der anderen Seite des Parks steht seit 1923 die Hauptattraktion von Salsomaggiore, das Thermalbad, benannt nach dem Dottore Berzieri, der im 19. Jahrhundert die heilende Wirkung des Thermalwassers entdeckt hatte.

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Einen derartigen Thermalpalast hatte die Welt noch nicht gesehen. Die Fassade ist fast bis auf den letzten Quadratzentimeter versehen mit Art-Deco-Ornamenten, Löwenköpfen im indischen oder chinesischen Stil, Reliefs, die siamesische Tänzerinnen darstellen, kunstvoll geschmückten Säulen, vergoldeten Keramikdekors und über dem Eingang zwei riesige, zähnebleckende Chimären, die den Schriftzug THERMAE flankieren. In der Eingangshalle geht die schwer beschreibliche Pracht im gleichen unbeschreiblichen Stilmix weiter. Endlose Gänge mit zahllosen Türen führen zu den Räumen, in denen die Kurgäste früher in kleinen Wannen im salzhaltigen Thermalwasser badeten. Vor einigen Jahren wurde das Bad aufwändig renoviert. Der modernisierte öffentliche Badebereich ist nicht annähernd so riesig wie das Thermalbadgebäude, aber ziemlich stimmungsvoll und elegant.

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Die Erneuerung, die das Berzieri-Thermalbad erfahren konnte, hat sich im Stadtbild von Salsomaggiore noch nicht abgezeichnet. Im Gegenteil, hier zeigt sich überall das Bild einer zerfallenden Pracht. Riesige Grandhotels tauchen aus dem Nebel auf – «wie Ozeandampfer auf einem dunklen Meer», so der passende Vergleich des Schriftstellers W. G. Sebald. Die Türen der meisten Hotels sind verrammelt. Die Zeiten sind längst vorbei, in denen die Reichen ihre Ferien in Salsomaggiore verbrachten. Und bisher ist es keinen Immobilienunternehmern gelungen, die alten Hotelkästen gewinnbringend zu verwerten. Immerhin: Das Grand Hotel Regina im Zentrum des Thermalbadstädtchens ist immer noch offen. Das Grand Hotel des Thermes wurde umgenutzt als Kongresszentrum. Ein paar gute Restaurants gibts auch, die «Pisarei cui fasö» servieren, die regionale Spezialität mit einer Art Gnocchi aus Paniermehl, Bohnen, Tomaten und anderen Zutaten servieren.

Fotos: Andreas Gossweiler

Über agossweiler

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