Ich mag Bücher, die man locker in einem Tag lesen kann. So wie die «Vier moralischen Schriften» von Umberto Eco, eine Sammlung von Vorträgen und Zeitungsartikeln aus den 1990er Jahren. In der vierten «moralischen Schrift», einem Zusammenschnitt aus zwei Vorträgen und einem Zeitungsartikel, geht es um «Migrationen, Toleranz und das Untolerierbare». Eco unterscheidet zunächst zwischen Immigration und Migration.
Die Immigration ist staatlich geplant. Beispiel: Die Einwanderung von Italienern oder Iren nach Nordamerika. Die Immigranten übernehmen die Lebensweise des Landes, in das sie einwandern.
Die Migration ist hingegen nicht kontrollierbar, Eco vergleicht sie mit einem «Naturphänomen». Beispiel: Die Migrationen der sogenannten «Barbaren» ins Römische Reich. Die Migranten verändern die Kultur des neuen Landes. «Die Dritte Welt klopft an die Pforten Europas, und sie kommt herein, auch wenn Europa sie nicht hereinlassen will», so Eco. «Ob uns das passt oder nicht, spielt dabei keine Rolle: Wenn es uns gefällt, um so besser; wenn nicht, wird es trotzdem so kommen.»
Umberto Eco: «Vier moralische Schriften», Deutscher Taschenbuch Verlag 2000