Paul Valéry in Zürich

«Je n’oublierai jamais ma conférence de Zurich, une des premières que j’aie faites», sagte der französische Philosoph Paul Valéry 1926. Im Auditorium maximum der Zürcher Universität hielt er im November 1922 einen Vortrag zum Thema «La crise de l’esprit européen».

Es fing nicht gut an. Valéry litt unter entsetzlichem Lampenfieber, so dass er sich laut seinen eigenen Worten auf dem Weg zur Uni am liebsten in die eiskalte Limmat gestürzt hätte. Zum Glück verzichtete er darauf. Fast 100 Jahre später ist das Thema des Vortrags immer noch aktuell, auch wenn sich viele Bezugspunkte verändert haben.

Der Text der Rede zeigt eine starke Verunsicherung nach dem 1. Weltkrieg: «Presque toutes les choses humaines demeurent dans une terrible incertitude», sagte Valéry. Dann kommt ein schöner, Valéry-typischer Aphorismus: «Nous espérons vaguement, nous redoutons précisément; nos craintes sont infiniment plus précises que nos espérances.»

Die europäische Identität sei durch das römische Rechtssystem, die christliche Religion und die griechische Wissenschaft (hallo Geometrie) geprägt worden, sagte Valéry im Auditorium der Uni: «L’homme d’Europe n’est pas défini par la race, ni par la langue, ni par les coutumes, mais par les désirs et l’amplitude de la volonté.»

Zu Europa zählte Valéry übrigens den gesamtem Mittelmeerraum: «Smyrne et Alexandrie sont d’Europe comme Athènes et Marseille».

Paul Valéry: «Variété I et II», Editions Gallimard 1924
Paul Valéry: «L’amateur de Zurich», Kranich-Verlag 1999

 

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