Das Bond-Schema: ABCDEFGHI

Bond

Eine Box ermöglicht den Genuss aller James-Bond-Filme zwischen 1962 und 2015. 23 DVD für 125 Franken, also eigentlich halb geschenkt, dachte ich mir. Nach dem neunten Film («The Man with the Golden Gun») stellt sich eine gewisse Müdigkeit ein: Immer die gleichen Verfolgungsjagden und Prügeleien, immer wieder ärgerlich sexistische Szenen mit den sogenannten «Bond-Girls» oder auch rassistische Untertöne (die Schurken sind niemals Briten, sondern abwechselnd Russen, Afro-Amerikaner, Latinos, etc). Andererseits enthalten die Filme immer wieder faszinierende Einfälle: oft grossartige Musik, manchmal überraschendes Personal wie die Brecht-Weill-Sängerin Lotte Lenya im Film «From Russia with Love».

Schon 1966 hatte sich Umberto Eco seine Gedanken gemacht zum Phänomen James Bond. Er sezierte die erzählerischen Strukturen der Romane, die den Filmen zugrunde liegen. Die Romane erinnern Eco an Schachspiele mit dem immer gleichen Ablauf:

A) James Bonds Chef erteilt ihm einen Auftrag
B) Der Schurke (oder ein Stellvertreter) erscheint
C) Bond greift den Schurken an (oder umgekehrt)
D) Eine Frau erscheint
E) Bond verführt die Frau
F) Der Schurke sperrt Bond ein (mit oder ohne die Frau)
G) Der Schurke foltert Bond (mit oder ohne Frau)
H) Bond schlägt den Schurken
I) Bond erholt sich, geniesst die Frau, bevor er sie wieder verliert.

Alle Elemente kommen laut Eco in jeder Geschichte vor, aber nicht unbedingt in der gleichen Reihenfolge. So wie in jedem Krimi soll die Story, so Eco, den Leser fesseln, indem sie ihm nicht etwas Unbekanntes erzählt, sondern das bereits Bekannte. Umberto Eco vergleicht die Bond-Geschichten mit einem Footballspiel, bei dem die Harlem Globetrotters gegen ein Lokalteam spielen: Man weiss genau, dass die Globetrotters gewinnen. Auch wenn Bond immer wieder in scheinbar ausweglose Situationen gerät, zum Beispiel lebend in einem Sarg in einen angefeuerten Krematoriums-Ofen geschoben wird wie in «Diamonds are Forever».

Solche erstaunlichen Wendungen kannte schon Sigmund Freud: «Wenn ich am Ende eines Romankapitels den Helden bewusstlos, aus schweren Wunden blutend verlassen habe, so bin ich sicher, ihn zu Beginn des nächsten in sorgsamster Pflege und auf dem Wege der Herstellung zu finden», ätzte Freud. Für ihn waren solche Romane nichts anderes als Tagträume.

The James Bond Collection, Metro-Goldwyn-Mayer, 2015
Umberto Eco: «Narrative Structures in Fleming», 1966 (englisch: «The Role of the Reader», 1984)
Sigmund Freund: «Der Dichter und das Phantasieren», 1907 (in «Texte zur Theorie der Autorschaft», 2000)

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Journalist
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