Eigentlich erstaunlich: Kaum veröffentlicht die renommierte US-Psychologin Sherry Turkle, die am ebenso renommierten Massachusetts Institute of Technology arbeitet, ein neues Buch, in dem sie fordert: «It’s time to put technology in its place and reclaim conversation», kommen geharnischte Repliken, in der sie als «disconnectionist» bezeichnet (oder eher: beschimpft?) wird.
Was bringt Turkles Gegner so auf die Palme? Sind es ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse, die darauf hindeuten, dass elektronische Kommunikation uns nicht immer nur happy macht, sondern auch gewisse Fallstricke bereithält?
«People don’t like posting things that their followers won’t agree with. Everybody wants to be liked», schreibt Turkle in ihrem neuen Buch «Reclaiming Conversation». Wer möchte das bestreiten? Ein Blick in Facebook-Posts und Twitter-Mitteilungen bestätigt diesen Befund jeden Tag.
Was sind die Folgen des von Turkle beobachteten opportunistischen Verhaltens, das Social-Media-Kanäle begünstigen? «If you know that your texts and email are not private, you watch out for what you write. You internalize the censor», schreibt Turkle. Die These steht im Widerspruch zur erhofften «Demokratisierung» der Medienproduktion.
Turkle stützt ihre Thesen auf wissenschaftliche Erkenntnisse. Eine Studie mit 1800 Teilnehmern zeigte vor zwei Jahren: Nur die Hälfte der Studienteilnehmer sind bereit, kontroverse politische Themen wie die Snowden-Enthüllungen auf Facebook oder Twitter zu diskutieren. Und Leute, die Social Media verwenden, haben weniger Lust, in persönlichen Gesprächen über politische Themen zu diskutieren. Die Wissenschaftler sprechen von einer «spiral of silence», die durch Social Media verstärkt wird.
Unter anderem deshalb schreibt Turkle in ihrem Buch : «We may want to rewrite our social contract with Social Media.»
Sherry Turkle: «Reclaiming Conversation. The Power of Talk in a Digital Age», Penguin Press 2015