Andrew Keen ist kein Maschinenstürmer. Er kennt die Internet-Industrie von innen: Mitte der 90er Jahre gründete er mit finanzieller Hilfe von Intel und SAP ein Start-up namens «Audio Café», einen Musik-Streamingdienst avant la lettre. Doch Keen gehört nicht zu den Zeitgenossen, die glauben, das Internet führe uns direkt ins Paradies.
In seinem neuen Buch «Das digitale Debakel» zieht Andrew Keen Parallelen zwischen den heutigen Datensammlern und der Stasi. Keen erinnert daran, dass das DDR-Regime vor dem Mauerfall daran arbeitete, alle Informationen über die Bürger digital zusammen zu führen: «Erich Mielkes Ziel bestand darin, einen Ort zu schaffen, an dem alle Bürger „unter Glas“ waren und keiner seinem elektronischen Blick entging.» Der Mauerfall durchkreuzte diesen Plan.
Heute arbeiten Digitalkonzerne wie Google und Facebook an ähnlichen Zielen, warnt der Buchautor: «In einem elektronischen Panoptikum mit 50 Milliarden intelligenten Geräten und einer vernetzten Welt, in der Privatsphäre ein Privileg der Reichen ist, werden wir nicht nur von unseren Fernsehapparaten, Telefonen und Autos beobachtet werden. Wir werden in einer „neuen menschlichen Gesellschaft“ leben, wie John Lanchester schreibt, in der jeder unserer Handgriffe und jeder unserer Aufenthaltsorte aufgezeichnet und in Daten verwandelt wird.»
Um die Macht der Datenkraken zu beschränken, gibt es unterdessen viele kleine Initiativen: Digital Detox, die Suchmaschine Duck Duck Go, das von Google eingeforderte Recht aufs Vergessen etc. Es braucht aber auch politische Schritte, schreibt Keen: «Die vernetzte Gesellschaft benötigt einen neuen Gesellschaftsvertrag, an den sich alle halten.»
Andrew Keen: «Das digitale Debakel», Deutsche Verlags-Anstalt 2015