Wenn es um Terroranschläge muslimischer Fundamentalisten geht, prallen die Meinungen schonungslos aufeinander. Rechtskonservative wie der Kabarettist Andreas Thiel kritisieren den Islam pauschal als gewalttätige Religion, Kritiker werfen Leuten wie Thiel Islamfeindlichkeit vor.
Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek findet: «Wir müssen weiter denken». In seinem neuen Bändchen «Blasphemische Gedanken» erklärt er den Unterschied zwischen muslimischen und anderen Fundamentalisten (zB tibetische Buddhisten oder Amish): «Im Unterschied zu wahren Fundamentalisten sind die terroristischen Pseudofundamentalisten vom sündigen Leben der Ungläubigen zutiefst umgetrieben, fasziniert, bezaubert. Man spürt, wie sie ihre eigene Versuchung bekämpfen, wenn sie den sündigen anderen bekämpfen.»
Es ist Žižeks besonderes Verdienst, dass er die religiösen Aspekte der Debatte mit politischen Themen zusammen denkt. Er bleibt nicht stehen bei der geläufigen These, dass sich der islamische Fundamentalismus aus dem Gefühl der Unterlegenheit nährt, sondern bringt Walter Benjamins Einsicht ins Spiel, «dass jeder Aufstieg des Faschismus von einer gescheiterten Revolution zeugt.» Žižek stellt die Frage: «Gilt dasselbe nicht für den heutigen sogenannten „Islamfaschismus“? Steht der Aufstieg des radikalen Islamismus nicht in genauer Wechselwirkung mit dem Verschwinden der säkularen Linken in den muslimischen Ländern?»
Slavoj Žižek: «Blasphemische Gedanken. Islam und Moderne», Ullstein Streitschrift, 2015