Wie der Blick Stimmung macht gegen Sozialhilfebezüger

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Links: Dramatisierende Blick-Grafik. Rechts: Grafik, die bei 0 Franken beginnt

«Wir müssen Arbeitsfaulen den Geldhahn zudrehen!» titelt der Blick heute. «Ganze Clans», die von Sozialhilfe leben, «wollen von Arbeit nichts wissen», glaubt der Blick zu wissen. Diese Aussage basiert auf einer Behauptung der Gemeindepräsidentin von Waldenburg BL. Ob die Aussage zutrifft, ist unklar. Um die Dringlichkeit des Themas zu unterstreichen, publiziert der Blick eine Grafik, die zeigen soll, dass die Kosten für die Sozialhilfe gesamtschweizerisch «förmlich explodiert» seien. Die Grafik zeigt ein exponentielles Wachstum.

Doch stimmt das? Nüchtern analysiert, sind die Zahlen weit weniger dramatisch. Von 1,77 Milliarden Franken (2006) stiegen die Ausgaben auf 2,37 Milliarden (2012). Das ergibt eine Zunahme von 33 Prozent.

Um diese Zunahme zu dramatisieren, und um den Begriff «explodieren» zu rechtfertigen, greift der Blick zu einem Trick: Die Grafik beginnt nicht bei 0 Franken, sondern bei 1,7 Milliarden Franken. So kann der Blick eine unglaublich steile Kurve fabrizieren. Zum Vergleich habe ich eine Grafik skizziert, die bei 0 Franken beginnt. Und siehe da: Die Kurve sieht plötzlich viel weniger dramatisch aus. Zum Spass habe ich als Bildlegende «Die Kosten für die Sozialhilfe explodieren» darunter geschrieben, so wie das der Blick getan hat. Jeder sieht auf den ersten Blick, dass es ein Witz ist, von einer Explosion zu sprechen.  Die Kosten nahmen zu, das stimmt – aber weit weniger stark, als der Blick seine Leser glauben macht.

PS: Natürlich stammen die «Clans», die angeblich «einfach nicht arbeiten wollen», aus Ex-Jugoslawien und der Türkei, so schreibt der Blick. Damit betreibt die Zeitung aggressive Stimmungsmache gegen Ausländer im SVP-Stil.

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5 Antworten zu Wie der Blick Stimmung macht gegen Sozialhilfebezüger

  1. bluekanguruh schreibt:

    Ein simpler, altbekannter und unlauterer Trick, den Blick hier einsetzt – doch wer macht sich schon die Mühe, eine Graphik zu hinterfragen? Dabei geht’s ganz einfach, sogar ohne Excel! Well done!

  2. angelomerkel schreibt:

    Die Kosten „explodieren“ heißt, die Kosten steigen stark. Der „Trick“ ist (leider) allgemein üblich, egal um welches Thema es geht.

    • silvertrain64 schreibt:

      Lieber Herr «Merkel», explodieren ist nun mal nicht dasselbe wie stark steigen. Niemand, der bei Trost ist, würde die rechte Kurve als «Explosion» beschreiben.

  3. Philipp Joos, D-Reutlingen schreibt:

    Haben Sie schon mal die Kosten der Sozialhilfe mit den Preisen verglichen, die für Zeitungen und Zeitschriften am Kiosk verlangt werden? – Ich vermute, dass dann die Schlagzeile sogar lauten müsste: „Kioskpreise für ‚Blick‘?/Boulevardpresse?/Presseerzeugnisse stärker angestiegen als Sozialhilfeausgaben insgesamt!“

  4. Werner Bechtel schreibt:

    So Übertrieben hat der Blick nicht, Bevölkerung von 2006-2012 um 7.0% gewachsen.
    Sozialhilfe ist in der gleichen Zeit um 33,9% gestiegen, Teuerung ca. 3% also 31%
    Also ist die Sozialhilfe 4,4 x schneller gestiegen als Bevölkerung.
    Ergibt ca. 450’000.- über normalem Wachstum. Und dieses Jahr wird es noch schlimmer.
    Stark steigend = 30%, Explodieren = 4 x

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