Die amerikanische Medienwissenschaftlerin Alice Marwick hat die Social Media schon erforscht, als das Phänomen noch neu war. «I wanted to examine what the people at the leading edge of the country’s social media technologies were actually doing with these tools», schreibt sie im Wissenschaftsmagazin New Scientist. Dabei fand sie heraus: «Rather than activism or even creative pursuits, social media was mostly used to boost popularity and status.» Marwick zieht ein ernüchtertes Fazit: Die Hoffnungen, Social Media würde Werte wie Offenheit, Transparenz, Authentizität und Freiheit fördern, haben sich nicht erfüllt – das Gegenteil traf ein: «Social Media’s early, revolutionary promise has been replaced by a jockeying for popularity and status that is far from world-changing.»
Wie konnte es dazu kommen? Alice Marwick entlarvt zunächst den Mythos, es gebe keine Unterschiede zwischen Social Media und dem «Real life». Die Forscherin benennt zwei bedeutende Unterschiede: Erstens können heute Individuen mit Social Media ein grosses Publikum erreichen, was früher nur den Mitarbeitern von Massenmedien möglich war. Zweitens vereinen Social Media wie Facebook disparate Bevölkerungsgruppen, die normalerweise sozial und geografisch weit auseinander liegen, an einem Ort. Das hat grosse Auswirkungen.
Alice Marwick hat genau hingeschaut, wie die Leute Social Media benützen. Und sie hat erschreckende Sachen gesehen. Laut Marwick fördern Social Media opportunistisches Verhalten: «In business contexts, people create „work-safe“ personas, often removing political or personal content to focus on their industry and remain relentlessly upbeat about their own work.» Diese Techniken des «self-branding» führen laut Marwick dazu, dass die Idee allseits akzeptiert wird, wonach alle Facetten unseres Lebens auf optimale Chancen auf dem Arbeitsmarkt zurechtfrisiert werden.
Besonders gravierend ist laut Alice Marwick, dass Frauen, Afro-Amerikaner und Latinos in den USA schlechtere Karten bekommen, sobald sie sich auf Social-Media-Kanälen präsentieren: «People who shared the „wrong things“ online – parenting, dating or traditionally feminine subjects – were perceived as shallow or simply unfit for the industry.»
Die Folgen: «Rather than equalising the playing field, social media technologies reified and codified social hierarchy by quantifying it and displaying it to all… Social media has re-inscribed a limited view of success and a surprisingly narrow range of acceptable behaviour.»