Vom Sanetschpass bis nach Conthey bildet die Morge eine tief eingeschnittene Schlucht. Auf beiden Seiten versuchten die Bauern, das Wasser nutzbar zu machen. Dafür mussten sie lange Leitungen bauen.
Auf der Westseite der Morge war dies relativ einfach, denn das Gelände fällt hier sanft ab. Auf 1400 Metern Höhe zapft die Bisse de la Tsandra das Wasser des Bergflusses an. Nach rund zehn Kilometern kommt das Wasser im Dorf Aven an. Die Bisse de la Tsandra wird immer noch gebraucht. Deshalb wurde sie grösstenteils in Rohre verlegt, um den Unterhalt zu vereinfachen. Nur an zwei kurzen Teilstücken oberhalb des Dorfes Erde und bei einer felsigen Partie unterhalb von Les Mayentsets ist das Wasser noch sichtbar. Im oberen Teil fliesst die Petit Bisse parallel oberhalb der Bisse de la Tsandra. Sie hat den Vorteil, dass sie auf dem ganzen Parcours wie eh und je an der frischen Luft fliesst. Wenn man unten in Aven startet, empfiehlt es sich deshalb, bei den Mayens de My zur Petit Bisse aufzusteigen.
Ungleich schwieriger war der Bau von Wasserleitungen auf der östlichen Seite des Morge-Tals. Hier besteht der Hang weitgehend aus schroffen Felshängen und Geröllhalden. Man kann den Mut der Bauern von Savièse nur bewundern, die sich im Jahr 1430 entschlossen, durch diese wilde Gegend eine Wasserleitung zu bauen. Der Torrent Neuf, auch Bisse de Savièse genannt, ist eine der spektakulärsten Walliser Suonen. Oder besser gesagt: war. Denn 1935 wurde der grösste Teil dieser Suone stillgelegt, seither fliesst das Wasser durch einen Tunnel. Das ist einerseits schade, aber auch gut verständlich. Denn der Unterhalt dieser Wasserleitung war ein Alptraum. Über viele Kilometer führte die Suone durch steile Felswände. Hier floss das Wasser durch einen an den Felswänden aufgehängten Holzkanal, der aus Hunderten von Brettern zusammen gefügt war. Reparaturarbeiten nach Steinschlägen oder Lawinen waren enorm aufwändig und gefährlich.
1935, als der Tunnel fertig war, wurde die alte hölzerne Wasserleitung teilweise zerstört, damit niemand auf die Idee kommt, auf den alten, morschen Brettern herumzuturnen. Dennoch blieb diese Suone für viele Leute faszinierend. Deshalb machten sich 2008 einige Leute aus der Region daran, den Torrent Neuf wieder zugänglich zu machen. Sie gründeten die Association pour la Sauvegarde du Torrent Neuf. In den letzten Jahren leistete die Association eine bemerkenswerte Arbeit: Stückweise baute sie entlang der alten Wasserleitung einen Weg. Die gefährlichsten Stellen werden mit vier Hängebrücken überquert. Hinter der alten Säge von Brac beginnt der spektakulärste Teil: die Passage an der überhängenden Felswand der Branlires. Auch diese Stelle kann man heute bequen von einer metallenen Hängebrücke bewundern.
Der Besuch des Bisse de Savièse ist ein grossartiges Erlebnis. Mehr Informationen gibts auf der Internetseite der Association pour le Sauvegarde du Torrent Neuf.
- Der Torrent Neuf im Wald oberhalb von Savièse
- Reparaturarbeiten an der Suone: Wandbild in der Kapelle Ste-Marguerite
- Hat nur noch wenig mit einer traditionellen Suone zu tun: der heutige Torrent Neuf
- Drei Hängebrücken führen über steile Couloirs
- Der alte Verlauf der Suone wurde sorgfältig freigelegt
- Gut gesichert mit Geländer: der Torrent Neuf
- Torrent Neuf
- Der Torrent Neuf führte durch kilometerlange Felswände
- Der alte Holzkanal ist nur noch teilweise erhalten
- Torrent Neuf in der Branlires-Felswand
- Alter Holzkanal des Torrent Neuf
- Torrent Neuf in der senkrechten Felswand
- Alter Verteiler der Bisse de la Tsandra
- Bisse de la Tsandra: Restauriertes Teilstück
- Petit Bisse bei der Fassung an der Morge
Fotos: Andreas Gossweiler

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