Mucha Hippie Mystery

Das Museum Bellerive zeigt zur Zeit die Ausstellung «Mucha Manga Mystery». Die Schau bietet einen nahrhaften Überblick über das Plakatschaffen des französisch-tschechischen Jugendstilkünstlers Alphonse Mucha. In immer neuen Variationen zeigte Mucha schmachtende Frauenfiguren inmitten flirrender Ornamentkaskaden. Seine Auftraggeber waren Theaterstars wie Sarah Bernhardt, Zigarettenfabriken oder Moët-Chandon.

mucha

Nach dem ersten Weltkrieg war Muchas luxuriöse Welt der üppigen Ornamente und schwungvollen Jugendstil-Schlangenlinien nicht mehr aktuell. Nach dem zweiten Weltkrieg war Jugendstil sogar als kitschig verschrien. Das änderte sich schlagartig anno 1967. Amerikanische Gruppen aus dem Bereich des Psychedelic Rock entdeckten, dass der Jugendstil mit seinen schmachtenden Schlangenlinien bestens geeignet war, die Musik visuell auf Plattenumschlägen und Konzertplakaten visuell umzusetzen. Bands wie Grateful Dead und Quicksilver Messenger Service gaben Platten heraus, deren Umschläge  stark von Alphonse Muchas Bildsprache beeinflusst waren.

Es ist das Verdienst des Museums Bellerive, dass es diese Bezüge zwischen Mucha und der Hippie-Grafik einerseits sowie der Ästhetik der Manga-Comics zeigt. Nur bei der Auswahl der Plattenumschläge hätte das Museum noch einen Zacken zulegen können. Statt misslungener Kitsch-Covers wie dem Umschlag zur Platte «Nantucket Sleighride» der Gruppe Mountain hätte man besser einige ikonische Plattenumschläge der Hippie-Zeit gezeigt. Da ich nicht nur rummeckern will, habe ich in meinen eigenen Plattenschrank gegriffen und einige Plattenumschläge rausgezogen, die stark vom Jugendstil inspiriert sind. Ende der sechziger Jahre gab es solche in Hülle und Fülle. Zum Beispiel:

saturnrings

Michele: «Saturn Rings» (1969)
Wenig ist bekannt über diese kalifornische Sängerin Michele O’Malley. Fest steht: 1966 sang sie in der Gruppe The Ballroom, die einige Songs aufnahm, die der geniale Komponist und Produzent Curt Boettcher ersonnen hatte. Ihre Musik klang ähnlich wie die Mamas and Papas, nur waren die Songs unendlich viel spannender und die Produktion viel erfindungsreicher. Leider konnte The Ballroom die aufgenommenen Songs nie als LP veröffentlichen. Das ist sehr schade, denn dabei wäre ein Album herausgekommen, das mindestens so gut wie «Sergeant Pepper» von den Beatles gewesen wäre. Einige Ballroom-Songs landeten immerhin auf der ersten LP des Studioprojekts Sagittarius des Produzenten Gary Usher. Nach dem Split von The Ballroom nahm Sängerin Michele O’Malley ein Soloalbum auf. Sie sang einige Ballroom-Lieder sowie Eigenkompositionen. Der Umschlag der Platte ist im puren Mucha-Stil gestaltet: Das Grafikstudio Kittyhawk von Dean Torrence (zuvor die eine Hälfte der Surfrock-Gruppe Jan and Dean) zeichnete eine Frauenfigur, die möglicherweise Michele O’Malley darstellen soll. So genau weiss man das nicht, denn es existieren kaum Fotos der Sängerin. Die Stern-Ornamente, die das Bild der Sängerin umrahmen, sind direkt von Muchas Grafiken entlehnt. Auch die flächige Darstellung des Gesichts und der Hände erinnert stark an Alphonse Mucha. Nachdem sie «Saturn Rings» aufgenommen hatte, verschwand Michele O’Malley leider von der Szene.

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Caetano Veloso (1968)
Der brasilianische Sänger und Songschreiber Caetano Veloso gehört zur Generation, die Mitte der sechziger Jahre brasilianischen Samba mit Rock und Jazz verschmolzen und sich mit der Militärdiktatur anlegten. Sein Debutalbum erschien 1968. Für mich ist es seine spannendste Platte und eine der besten brasilianischen Alben. Einmal mehr war «Sergeant Pepper» der Bezugspunkt. Caetanos Musik war sicher nicht weniger einfallsreich. Auf der Rückseite des Umschlags sind Liana und Paulo Tavares als Urheber der Grafik erwähnt, von denen nichts Genaueres bekannt ist. Die gezeichnete Frauenfigur auf dem Umschlag ist eine Mischung aus Muchas Musen, Barbarella und Brigitte Bardot. Nur das Foto des Musikers wirkt wie ein visueller Fremdkörper. Insgesamt ein origineller Entwurf und ein pures Kontrastprogramm zur nächsten Platte von Caetano, die einen gänzlich weissen Umschlag hatte wie das «White Album» der Beatles.

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Dr. John The Night Tripper: «The Sun Moon & Herbs» (1971)
Diese Musik auf dieser Platte ist genau so schwül und funky, der Gesang ist genau so krächzend wie auf allen guten Platten von Dr. John. Was er singt, verstehen nicht mal Amerikaner, aber das ist egal, denn die Songs sind fantastisch. Der Plattenumschlag ist deutlich vom Jugendstil inspiriert. Links und rechts flankieren allegorische Figuren ein Foto des «Night Tripper». Die fünfzackigen Sternchen, die Mucha gern verwendete, tauchen auch hier wieder auf. Pflanzliche Ornamente umrahmen den Schriftzug «Dr. John». Als Zeichner wird ein gewisser John John Millerburg genannt.

Über agossweiler

Journalist
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