Jeden Tag fahre ich dem Schlachthof entlang ins Büro. Schon lange nahm es mich wunder, was sich im Innern der riesigen, elegant gewölbten Backsteinhalle des Schlachthofes abspielt. Vor meinem geistigen Auge sah ich blutige Szenen: Metzger mit langen Messern, die in langen Reihen in der Halle stehen und Schweine und Kühe ausnehmen. An einem schönen Frühlingstag fasste ich ein Herz und betrat die Halle mit dem Fotoapparat in der Hand. Kein Problem, die Halle ist öffentlich zugänglich, jedenfalls zu Bürozeiten.
Die 1908 gebaute Halle ist eines der prächtigsten, grosszügigsten Gebäude in Zürich, vergleichbar mit dem Hauptbahnhof. Links und rechts reihen sich grosse Fenster mit dekorativen Backsteinbögen. Von messerschwingenden Metzgern ist allerdings keine Spur. Stattdessen reihen sich leere Harasse, im vorderen Teil sind Autos abgestellt. Nichts erinnert an einen Schlachthof, ausser den Metallschienen an den Wänden, an denen früher Schweine hin- und her verschoben wurden, und der Eingang zu einem kleinen Metzgereiladen.
Es ist schade, dass eines der markantesten Gebäude der Stadt als Harassenlager und als Parkplatz missbraucht wird. Beim Besuch der Schlachthofhalle wird klar: Hier liegt ein Juwel im Dornröschenschlaf. Man sollte unbedingt mehr machen aus dieser fantastischen Halle. Die Autos kann man auch an einem anderen Ort abstellen, und auch für die Harasse findet sich sicher ein alternativer Raum. So könnte man die Halle freispielen für eine Nutzung, die diesem einmaligen Raum angemessen ist. Man könnte darin einen Markt einrichten. Oder ein Museum. Oder eine Kletterhalle. Klar ist nur: Heute ist die Halle sträflich unternutzt und falsch genutzt. In ein paar Jahren soll die Umgebung neu gestaltet werden, geplant ist unter anderem ein Park. Das wäre der ideale Zeitpunkt, um der Schlachthofhalle neues Leben einzuhauchen. In der Strategischen Planung der Stadt sind aber keine Pläne für die Zukunft der grossen Halle erwähnt.
Fotos: Andreas Gossweiler