Im Medienspiegel veröffentlichte der Journalist Christof Moser ein leidenschaftliches Pamphlet für «entrepreneurial journalism» – auf deutsch: Moser glaubt, Journalisten seien dank dem Internet nicht mehr auf Verlage angewiesen, sondern sollten künftig ihre Arbeit selber unters Volk bringen. So, wie das auf dem Gebiet der Musik Bands wie Radiohead bereits durchexerziert haben. Im Kommentarfeld beteiligten sich nur wenige Journalisten an der Debatte, dennoch war die Diskussion von Mosers Text interessant:
Leser «Ferdi Bärlocher» schrieb: «Das Radiohead-Modell geht für Radiohead auf, taugt aber nicht als Blaupause für irgendjemanden sonst. Radiohead gelangten zum In-Rainbows-Punkt über jahrelange Arbeit von Plattenfirmen und PR-Häsli.»
Auch das Beispiel von Andrew Sullivan, der laut Moser in Eigenregie traumhaft Kohle eingespielt haben soll, überzeugt «Ferdi Bärlocher» nicht: «Sullivans Verkickstarterisierung mag eine Lösung für Sullivan sein, nicht aber für den Journalismus. Noch weniger in der Schweiz, angefangen bei den Rahmenbedingungen (50 mal weniger Medienkonsumenten) und beim Fakt, dass sich in der Schweiz mit Sullivan vergleichbare Figuren mit viel Gutmütigkeit an einer Hand abzählen lassen. Wenn Sullivan die Antwort auf “die Frage” ist, “wie viel Verlag der Journalismus der Zukunft noch brauchen wird”, dann lautet sie: Ziemlich viel.»
Auch Medienspiegel-Leser Hotcha ist nicht überzeugt von Mosers Modell des «entrepreneurial journalist: «Unternehmerischen Journalismus finde ich gut. Ich würde gerne mehr davon beim Infosperber sehen, wo Christof Moser publiziert. Oder eher, besseren. Da gibt es also dieses Gefäss für freie Journalisten, mehrere davon lese ich seit der grossen Zeit der Pressebüros, bekannte Namen, und immer noch dümpelt der Sperber so vor sich hin.»
Die Angesprochenen reagierten nervös – Moser und Infosperber-Gründer Urs P. Gasche geisselten die Verwendung von Pseudonymen, statt auf die Argumente der Medienspiegel-Leser einzugehen (Kleiner Exkurs: Seltsam ist ja, dass die Verwendung von Pseudonymen nur kritisiert wird bei Leuten, die Glaubenssätze der Internet-Apologeten in Frage stellen – aber niemals bei Internet-Aposteln, die ein Pseudonym verwenden wie «Ugugu» oder «Bugsierer»).
Dabei hat Hotcha einen interessanten Punkt angesprochen. Urs P. Gasche ist einer der renommiertesten Schweizer Journalisten und ein scharfsinnig argumentierender Pharmakritiker. Heute fasst er im Tages-Anzeiger die anhaltende Kontroverse um Tamiflu in einem überaus spannenden Artikel zusammen. Warum erscheint der Artikel im Tages-Anzeiger und nicht im Infosperber? Verschiedene Gründe sind denkbar:
1. der Tages-Anzeiger bezahlt ein besseres Honorar.
2. der Tages-Anzeiger erreicht ein breiteres Publikum als der Infosperber (Auflage TA: 188602 Exemplare plus eine unbekannte Anzahl Online-Leser. Geschätzte Klickzahl eines Artikels im Infosperber: ein paar tausend).
Wie dem auch sei – das Beispiel des Tamiflu-Artikels zeigt deutlich, dass Christof Mosers Idee, Journalisten könnten auf Verlage verzichten, reines Wunschdenken ist.