Plädoyer für mehr Tempo

Bisher galt der Grundsatz: Die Schweiz ist zu klein für Hochgeschwindigkeitslinien. Falsch, meint der emeritierte ETH-Professor Daniel Mange. Sein neues Buch «Bahn-Plan 2050» ist ein leidenschaftliches «Plädoyer für mehr Tempo». Mange fordert, man müsse das Schweizer Bahnnetz als Teil des europäischen Netzes sehen. Ohne Hochgeschwindigkeitslinien werde die Schweiz ganz einfach umfahren. Das ist keine an den Haaren herbeigezogene Befürchtung: Der erste Teil der neuen TGV-Linie Mulhouse –Dijon ist seit einem Jahr in Betrieb. Die Linie führt grosso modo der nordwestlichen Landesgrenze entlang über Belfort und Besançon und hat bereits konkrete Auswirkungen auf die Verbindungen von der Schweiz nach Frankreich: Die Strecke Zürich – Lyon ist via Mulhouse schon heute eine halbe Stunde schneller als die traditionelle Verbindung über Genf.

Für Daniel Mange ist deshalb klar: Die Schweiz braucht zwei Hochgeschwindigkeitslinien – eine von Westen nach Osten und eine von Norden nach Süden. Wobei die Linien nicht bei der Landesgrenze beginnen, sondern eben Teil des europäischen Netzes sein sollen. Deshalb fordert der Verkehrsexperte den Bau einer Linie von Bourg-en-Bresse nach Konstanz über Genève, Lausanne, Bern und Zürich. In Bourg-en-Bresse würde die Linie mit dem französischen TGV-Netz verknüpft, von dort gehts in flottem Tempo ins nur 80 km entfernte Genève. Nur schon mit dieser kurzen Linie könnte man die Fahrzeit von Genève nach Paris auf 2 Std 15 Min reduzieren.

Nötig wäre laut Mange auch eine neue Hochgeschwindigkeitslinie von Genève nach Lausanne. Die ungenügende Kapazität der immer stärker belasteten Linie entlang dem Genfersee macht ohnehin den Bau eines dritten oder vierten Gleises notwendig. Laut Mange wäre der Bau einer neuen Linie billiger und nützlicher. Projekte für beide Linien (Bourg-en-Bresse – Genève und Genève – Lausanne) existieren seit langem, wurden aber zugunsten von Pflästerlipolitik schubladisiert. Statt eine neue Hochgeschwindigkeitslinie zu bauen, hat die französische Bahn eine stillgelegte Regionallinie von Bourg-en-Bresse nach Bellegarde reaktiviert, über die seither die TGV-Züge nach Paris schleichen. Auch die Linie von Lausanne nach Bern könnte eine Auffrischung gebrauchen. Mange schlägt den Bau einer neuen Strecke vor, die die Fahrzeit auf eine halbe Stunde reduzieren würde. Zwischen Bern und Rothrist existiert bekanntlich bereits eine Hochgeschwindigkeitslinie.

Der interessanteste Vorschlag ist die neue Hochgeschwindigkeitslinie zwischen Rothrist und Zürich-Altstetten. Wenn es sie gäbe, könnte man in dreissig Minuten von Zürich nach Bern düsen. Statt diesem grossen Wurf planen SBB und Bund auch hier Pflästerli in Form von mehreren kürzeren Tunnels bei Aarau, Lenzburg und unter dem Heitersberg, die zwar die Kapazität der Strecke erhöhen, aber diese nicht hochgeschwindigkeitstauglich machen würden. Für Mange ist das «ein Milliarden teures Gebastel am aktuellen Netz». Auch zwischen Zürich und St. Gallen und weiter nach Konstanz wäre laut Daniel Mange eine neue Linie besser als «Flickarbeit an der Stammlinie».

Vorsorglich hat Daniel Mange am Schluss des Buches Gegenargumente gegen die populärsten Einwände gesammelt. Zum Beispiel der Einwand, Hochgeschwindigkeitszüge würden zuviel Energie verbrauchen. Daniel Mange rechnet vor: Ein Passagier verbraucht im Zug 90 Prozent weniger Energie als im Auto. Der Bahnverkehr verbraucht nur 1,25 Prozent des schweizerischen Energiekonsums und 5,3 Prozent des gesamten Stromverbrauchs –Trams und Trolleybusse eingerechnet.

Daniel Mange: «Bahn-Plan 2050. Mehr Tempo für die Schweiz.» Rüegger Verlag 2012

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