«Ich bin kein Rassist»

«Ich bin kein Rassist und kein Fremdenhasser», sagt Beat Mosimann, ehemaliger potentieller SVP-Kantonsratskandidat. Nur wenige Tage zuvor hatte Mosimann Muslime auf Facebook als «Schädlinge» bezeichnet und Afrikaner als «volkswirtschaftlich nutzlose stark Pigmentierte» und noch Wüsteres geschrieben. Fast gleichzeitig war auch ein twitternder SVP-Schulpfleger mit ähnlichen Sprüchen aufgefallen. Die Justizbehörden beurteilen jetzt, ob die über Social-Media-Kanäle verbreiteten Aussagen ein Verstoss gegen die Rassismus-Strafnorm sind.

Auch Bürgerinnen und Bürger machen sich ihre Gedanken zu den rechtsextremen Botschaften. Auch das ist wichtig. Leider verläuft die Debatte auf dieser Ebene aber oft oberflächlich. Ich habe ein paar Äusserungen gesammelt, die mir auf Twitter aufgefallen sind:

«Rassisten gibt es in jeder Partei»
«Die Selbstgerechtigkeit der moralisch Erhabenen ist erschreckend»
«Die Medien sollten sich auch um Rassismus gegen Schweizer kümmern»

Ungefähr zur gleichen Zeit kritisierte ein anderer Twitterer ein Interview, das Edgar Schuler mit Barbara Steinemann geführt hatte. Die Kantonsrätin, ebenfalls SVP, hatte gefordert, die Behörden müssten in Statistiken unterscheiden zwischen gebürtigen und eingebürgerten Schweizern. Der Twitterer schrieb zu Schulers Interview:

«Erfolglos bemüht sich Edgar Schuler, Steinemann in die Rassistenecke zu drängen»

Ich finde diesen Diskurs enttäuschend. Hier zeigt sich, wie verhärtet die Fronten sind. Manche Bürgerinnen und Bürger sind nicht bereit, ihre Positionen zu überdenken. Sie stellen die Definitionen von Begriffen in Frage, die eigentlich selbstverständlich sind. Plötzlich will niemand ein Rassist sein – auch Leute nicht, die entsetzliche Gewaltfantasien zum Besten gaben. Die Diskussion über das Asylwesen werde «emotional» geführt, sagt Mosimann. Das stimmt schon, und dagegen ist auch nichts einzuwenden. Aber das erklärt die Gewaltfantasien nicht. Die Definition von Rassismus ist klar: Rassismus ist, wenn man Angehörigen anderer Volksgruppen nur wegen ihrer Herkunft bestimmte Defizite unterstellt.

Die rassistischen Botschaften auf Twitter und Facebook sollten Anlass sein, um darüber nachzudenken, warum hier und jetzt Bürger solche Gewaltfantasien äussern, und warum die SVP Leute mit rechtsextremem Gedankengut anzieht. Statt darüber nachzudenken, versuchen manche Twitterer jedoch, die Gewaltfantasien zu entschuldigen, zu relativieren und der politischen Gegenseite ähnliche Vergehen zu unterstellen. Ich finde das schade. Denn das Nachdenken über die Gründe der Gewaltfantasien wäre wichtig, um zu verhindern, dass sich solche verbalen Exzesse wiederholen.

Zwei Sätze in Edgar Schulers Interview sind mir besonders aufgefallen. Zum einen sagt Barbara Steinemann, die Reinheitsideologie der Nazis bedeute nicht, dass Unterscheidungen zwischen echten und nicht-ganz-echten Staatsangehörigen «hundert Jahre lang ein Tabu sein sollen.» Mit diesem ziemlich haarsträubenden Satz reagierte die Kantonsrätin auf Schulers Vergleich von Steinemanns Vorschlag mit der Unterscheidung zwischen Ariern und Nichtariern. Steinemann behauptete auch: «Die Schweiz hat keine Nazivergangenheit. Wir waren immun.» Hier wird nicht nur die Geschichte arg verzerrt – es zeigt sich in diesen Sätzen die gleiche Weigerung, über die Gründe für Vorurteile gegenüber Einwohnern anderer Abstammung nachzudenken wie bei den erwähnten Twitterern.

Über agossweiler

Journalist
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3 Antworten zu «Ich bin kein Rassist»

  1. politischersenf schreibt:

    Sowas kann ja auch nur von Mitgliedern der SVP kommen. Aber da bekanntlich dumme Menschen leichter von der Krankheit namens Rassismus befallen werden, ist es nun wiederum doch kein so großes Wunder.

  2. Emanuel schreibt:

    Es scheint mir die Schweizer folgen die Deutschen, aber mit 50-70 Jahren Verspätung. Zum Beispiel die Schweizer Frauen mussten 50 Jahre lang warten bis sie wie die Deutschen Frauen wählen konnten, und die SVP begann eine Politische Hauptmacht zu sein in der Schweiz etwas 60 Jahre nach den National Sozialisten. Was der Alexander Müller getwittert hat mag der tip des Eisbergs sein, anders gesagt hat er möglicher weise öffentlich gesagt was viele nur versteckt denken oder privat sagen. In einer Studie von der Unicef in 2007 wurde auch gezeigt das in Kenya, die Benützung von Kindern für Sex vor allem die Tat von Schweizer ist, wenn proportional zu der Schweizer Bevölkerung angesehen, weit vor den Italienern und den Deutschen (die ex-Axis Länder): http://www.scribd.com/doc/53781846/European-Nazi-Culture-Map-2007

  3. Schlemihl schreibt:

    Das Rassimus-Problem, das wir in der Schweiz haben, ist wesentlich umfassender als nur die beiden Herren Müller und Mosimann. Es ist völlig klar, dass die SVP mit ihren Plakataktionen, die gezielt gegen einzelne Bevölkerungsgruppen gerichtet waren/sind und diese gezielt diffamier(t)en, diese Rassisten anzieht.

    Das Internet bietet für solche Leute dann auch noch ein Tummelfeld, auf dem sie ungehindert ihre Hasstiraden loswerden können. Hier ein Beispiel:
    http://schlemihlsblog.wordpress.com/2012/07/14/rassimus-unter-dem-deckmantel-angeblicher-meinungsfreiheit/

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