Backsteinarchitektur auf Zürcher Friedhöfen

Backsteine fand ich immer ein grossartiges Baumaterial. Wie Legoklötzchen kann man sie aufeinander schichten und mit den verschiedenen Farben spielen. Besonders kreativ gingen die Architekten am Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Material um. Da Backstein ein eher billiges Image hat, wurde er damals mit Vorliebe als Baumaterial für Fabriken und Wohnhäuser gewählt. Überraschend finde ich, dass in Zürich auch drei Friedhofgebäude aus Backstein stehen. Sonst hat man Backstein in der Schweiz (anders als in Nordeuropa) kaum für Sakralbauten verwendet.

Gleicht einer Fabrikhalle: die Oerliker Friedhofkapelle

Die grösste Backsteinkapelle steht seit 1891 an der Schwamendingerstrasse: die Kapelle des reformierten Friedhofs Oerlikon. Von der Strasse aus gleicht sie einer kleinen Fabrik – vor allem, seit sie das ursprünglich vorhandene Türmchen auf dem Dach verloren hat. Die roten Backsteinbögen und Lisenen finden sich auch im gestalterischen Repertoire vieler Fabrikgebäude des 19. Jahrhunderts.

Mit Treppengiebel: die Albisrieder Friedhofkapelle

Seit 1902 hat der reformierte Friedhof Albisrieden eine kleine Aufbahrungshalle («Kleines Leichenhaus», entworfen von Adolf Asper und Johann Jenny). Auch ihre Fassaden wurden mit dekorativen gelben und roten Backsteinen gebaut. Die Fassade beim Eingang wurde mit einem Treppengiebel aufgepeppt. Heute dient die Aufbahrungshalle als «Dienstgebäude», sprich als glorifizierter Geräteschuppen.

Wie ein Tempel aus 1001 Nacht: die jüdische Abdankungshalle

Das schönste Backsteinhaus steht auf dem jüdischen Friedhof Friesenberg. Die 1891 gebaute Abdankungshalle von Chiodera und Tschudy glänzt mit grossen runden Fenstern im orientalischen Stil. Die Bögen um die Fenster sind abwechselnd mit gelben und roten Backsteinen gemauert, die Wände unter den Fenstern sind mit zweifarbigen Ornamenten verziert. Der visuelle Effekt ist umwerfend – die achteckige Halle wirkt wie ein Tempel aus 1001 Nacht. Unter einer halbrunden seitlich angebauten Halle mit wunderschönen Jugendstilkapellen findet sich ein Brunnen für das rituelle Händewaschen. Auch die teils schiefen Grabsteine sind alle mindestens 100 Jahre alt, denn jüdische Gräber werden nicht aufgehoben.

Fotos: Andreas Gossweiler

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