Ein Tag auf dem Monte Campo dei Fiori

Wie der Rigi, der Pilatus oder das Stanserhorn auf der Alpennordseite wurden im Süden vor hundert Jahren der Monte Generoso, der Mottarone oder der Monte Campo dei Fiori  touristisch erschlossen. Damals verbrachten die Reichen ihren Urlaub gerne auf einem Alpengipfel. Besonders luxuriös ausgestattet war der Campo dei Fiori bei Varese, nicht weit von der Schweizer Grenze gelegen. Auf engem Raum findet man hier mehrere Meisterwerke des Jugendstil-Architekten Giuseppe Sommaruga: das Grand Hotel Campo dei Fiori, das Ristorante Belvedere und die Bergstation der Seilbahn. Eröffnet wurde der Komplex vor hundert Jahren, zwischen 1911 und 1912. Das Hotel könnte also dieses Jahr das hundertste Jubiläum feiern, doch zu feiern gibt es nicht viel.

Die fantastische Architektur ist immer noch grösstenteils intakt, aber die Gebäude stehen leer. Die Standseilbahn fährt seit 1958 nicht mehr. Zehn Jahre später schlossen das Grand Hotel und das Ristorante Belvedere. Das Hotel dient heute nur noch als Sockel für Radioantennen. Das Grand Hotel ist verrammelt, das Perrondach der Seilbahn ist schon lange eingestürzt. Wenigstens erhielt das Ristorante vor einigen Jahren ein neues Dach, doch die Innendekoration wurde von Vandalen beschädigt, weil das Ristorante mehr oder weniger zugänglich ist.

Es ist sehr schade, dass Sommarugas Meisterwerke auf dem Campo dei Fiori vergammeln und nicht zugänglich sind. Städte wie Barcelona oder Brüssel haben längst erkannt, dass Jugendstilarchitektur ein Touristenmagnet ist. Und die Hotelgebäude auf dem Campo dei Fiori gehören zu den raffiniertesten Jugendstilentwürfen. Was dort oben steht, ist absolute Weltklasse. Es wäre dringend nötig, diese Gebäude zu erschliessen und öffentlich zugänglich zu machen.

Wenn man unbedingt will, kann man schon heute ein Auge voll nehmen, auch wenn die Gebäude abgesperrt sind. Die Absperrungen lassen sich relativ einfach umgehen. Und es lohnt sich.

Die Besonderheit des Grand Hotels ist der talseitige Portico, eine originelle Eingangshalle mit bizarren, sorgfältig durchgestalteten Ornamenten. Eigentlich sollte der Portico die Bergstation der Seilbahn enthalten, was aber wegen des Motorenlärms nicht ging. Besonders toll ist die aufwändig gemauerte Decke. Sommaruga liess die Maurer die Backsteine in verschiedene Richtungen setzen, was einen grossartigen Effekt ergibt.

Dieselbe Mauertechnik findet man auch im Ristorante Belvedere. Durch eine Lücke im Zaun kann man das Innere des Ristorante betreten. Leider haben das auch Vandalen getan, die im Ristorante ein Feuer entfacht haben. Besonders schön: ein leider beschädigtes Treppengeländer des Eisenkünstlers Alesssandro Mazzucotelli und ein wunderschönes Deckenornament mit stilisierten Distelblättern, bei dem die Farbe grossflächig abblättert, was jammerschade ist.

Fotos: Andreas Gossweiler, März 2009

Über agossweiler

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