Stimmenthaltung: «Voraussetzung des Funktionierens des Systems»

Die Abstimmung vom 17. Juni ist nahrhaft: drei nationale Vorlagen, sechs kantonale Vorlagen und zwei kommunale Themen. Eine kantonale Vorlage hat es in sich: Beim Spitalplanungs- und Finanzierungsgesetz muss man sich entscheiden zwischen drei Versionen und zwei Stichfragen. Manche Stimmbürger dürften damit überfordert sein.

Dazu passt ein Satz von Pierre Bourdieu, der mir zufälligerweise wieder mal aufgefallen ist. Im Kapitel «Politik und Bildung» seines Buches «Die feinen Unterschiede» schreibt Bourdieu:

«Die Stimmenthaltung stellt vermutlich weniger ein Versagen des Systems dar, als eine Voraussetzung seines Funktionierens als verkanntes, folglich anerkanntes Zensus-System.»

Bourdieu wirft der Politikwissenschaft vor, sie habe aus der politischen Abstinenz vieler Bürgerinnen und Bürger «keine Konsequenzen gezogen, sondern sich mit dem blossen Bedauern über dieses „schuldhafte“ Enthalten begnügt.» Für Bourdieu ist aber klar, dass «der mit seiner Meinung zurückhaltende Teil der Bevölkerung», der in Frankreich offenbar auch ganz brutal «Sumpf» genannt wird, mit seiner Stimmabstinenz zur «Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung» beiträgt.

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