Warum ich nicht an die Piraten-Demo gehe

Am nächsten Samstag will die Piratenpartei in Zürich demonstrieren – unter anderem «für Informationsfreiheit im Internet», «für Generika-Medikamente in Entwicklungsländern» und «für mehr Demokratie und Transparenz». Das klingt oberflächlich besehen gut. Wer ist schon gegen so edle Dinge wie Demokratie und Generika? Dennoch werde ich sicher nicht an diese Demo gehen. Wenn man den Anlass der Demo genauer studiert, wird klar, wie verlogen der Demo-Aufruf ist.

Die Demo richtet sich gegen das Anti-Counterfeiting Trade Agreement, auf deutsch: Handelsabkommen gegen Produktfälschung. Ziel des Abkommens ist der Kampf gegen Produktpiraterie und Urheberrechtsverletzungen. Aha. Jetzt sieht die Sache schon anders aus. Was hat denn die Verletzung des Urheberrechts bitteschön mit «mehr Demokratie» zu tun? Offensichtlich betätigt sich die Piratenpartei als Schlagwortschleuder.

Grundsätzlich geht es bei ACTA darum, dass die Anbieter von Internet-Diensten für Urheberrechtsverletzungen ihrer Kunden haftbar werden. Seit Wochen schreiben sich Blogger im In- und Ausland die Finger wund. So ereiferte sich ein Blogger:

«ACTA will nicht weniger, als das Internet – in dem sich jeder frei ausdrücken kann – zu zerstören. Sie wollen das Internet zwingen, zu einer Art Fernsehen zu werden, wo nur ihr Programm läuft und Ihr gefälligst wieder die Schnauze zu halten habt.»

Das ist natürlich totaler Unsinn und genau so weit entfernt von den Tatsachen wie der Demo-Aufruf der Piratenpartei. Man kann nur so argumentieren, wenn man ziemlich viele Fakten ausblendet.

Das Ziel von ACTA ist selbstverständlich nicht, dass die Internet-Benützer «die Schnauze halten» müssen, sondern das Erschweren des Diebstahls von geistigem Eigentum. Es gibt einen grossen Unterschied zwischen freier Meinungsäusserung und dem Content-Diebstahl. Erstere ist durch ACTA nicht bedroht, letzterer ist kein Menschenrecht.

Deshalb ist es ein Witz, wenn die Piratenpartei behauptet, ACTA bedrohe die «Informationsfreiheit». Die Freiheit, Informationen zu verbreiten, wird vielmehr akut bedroht durch die Gratis-Mentalität, für die sich die Piratenpartei stark macht. Die Blogger, die so energisch gegen ACTA anschreiben, wollen partout nicht einsehen, dass der Gratis-Konsum von Texten, Filmen und Musik im Internet dazu führt, dass die Ressourcen für die Produktion dieser Texte, Filme und Musik immer stärker schrumpfen. Doch wer sich im Internet ständig gratis bedient, trägt dazu bei, dass es früher oder später nichts mehr zu stibitzen gibt. Denn auch die Urheberinnen und Urheber von geistigen Werken wollen für ihre Arbeit einen Lohn.

Bei allen materiellen Gütern wie Kleidern oder Computern ist es auch den Piraten wurst, wenn sie im Internet nicht gratis verfügbar sind. Kein Blogger hat jemals verlangt, Pizzas oder Reisen müssten im Internet gratis erhältlich sein, damit die Informationsfreiheit und die Demokratie gewährleistet sind. Nur bei immateriellen Gütern wird der Verlust von bürgerlichen Rechten bejammert, wenn jetzt endlich die Urheber besser geschützt werden sollen. Das ist kurzsichtig, inkonsequent und, wie gesagt, verlogen.

Deshalb gehe ich am Samstag nicht demonstrieren.

Über agossweiler

Journalist
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2 Antworten zu Warum ich nicht an die Piraten-Demo gehe

  1. Edelweiß schreibt:

    Die Fälle von Pirate-Bay und Megaupload haben doch deutlich gezeigt, das es keinen rechtfreien Raum im Internet gibt und das gegen Copyright Verstöße bereits mit aller Härte vorgegangen wird. Wozu dann noch ACTA?

    Die Polen haben gezeigt wie es geht, sie wissen noch aus Solidarnosch-Zeiten, daß man Freiheit nicht gratis bekommt. Also am Samstag weg von der Tastatur, warm anziehen und raus auf die Straße!
    http://stopp-acta.info/

  2. Pingback: Balthasar Glättlis Homepage » ACTA Ja oder Nein? Gedanken zu Wissen, Macht und Eigentum

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