Zum vierten Mal reiste ich ins Val de Travers, um die Freiluft-Ausstellung in Môtiers anzuschauen. Diese Ausstellungen sind immer ein besonderer Genuss. Denn anders als bei anderen Freiluft-Ausstellungen haben die Veranstalter nicht autonom auftretende Skulpturen auf eine Wiese gesetzt, die man genau so gut an irgend einem anderen Ort aufstellen könnte. In Môtiers ist der Begriff der Skulptur denkbar breit definiert. Und jedes Werk wurde extra für einen bestimmten Ort geschaffen. Zum Beispiel die Nummer 1: Sentimental Mood von Pascal Schwaighofer. Das Werk besteht darin, dass die Billettverkäuferin einen Sprutz wohlduftendes, aus Tannenharz hergestelltes Terpentin auf den Programmfolder appliziert.
Die Schau beginnt im Dorf, wo einige Bewohnerinnen und Bewohner ihre Garagen und Scheunen zur Verfügung stellen. Kunstwerk Nr 8, Le printemps libyen ou le théatre des opérations von Ivan Moscatelli, zeigt ein antikes Theater in Libyen, begleitet von Kriegsgeräuschen, und nimmt damit Bezug auf aktuelle Ereignisse in diesem Land.
Am Rand des Dorfes die Place polygone von Petra Köhle und Nicolas Vermot Petit-Outhenin, die Nummer 22 der Ausstellung. Frech nimmt das Werk Bezug auf ein kitschiges Denkmal auf der anderen Seite der Dorfstrasse, das an einen abgestürzten Flieger erinnert. Das Künstlerduo hat den polygonen Kiesplatz kopiert, allerdings ohne das Denkmal.
Weiter oben steht ein Highlight von Môtiers 2011: Banc von Roman Signer (Nummer 23). Zu gerne wäre ich dabei gewesen, als Signer einen schweren Doppel-T-Balken auf eine arme Parkbank krachen liess. Mit diesem Werk hat Roman Signer für einigen Wirbel im Val de Travers gesorgt. Die Zeitung «L’Express» druckte den Leserbrief einer Einwohnerin von Fleurier ab, die schrieb: «Dieser Herr hat nichts besseres zu tun als einen Stahlträger auf eine Parkbank fallen zu lassen. Wenn Roman Signer tatsächlich ein weltweit bekannter Künstler ist, sollte er besser seinen Mitmenschen helfen anstatt Vergnügen aus der Zerstörung zu ziehen. Kann mir jemand erklären, warum das Kunst sein soll, während man von Vandalismus spricht, wenn ein Jugendlicher eine Parkbank zerstört?»
Gut gefallen hat mir auch das Musée Ste-Lucie von Claude Sandoz (Nr 24). Der psychedelisch inspirierte Künstler hat es verstanden, ein bisschen karibische Atmosphäre auf die Wiese oberhalb von Môtiers zu zaubern.
Weiter geht der Spaziergang durch den steilen Wald. Oberhalb der geheimnisvollen Quelle hat Sylvie Fleury einen lustigen Guardian auf einem Felsen platziert.
Eine witzige Überraschung im Wald ist die Nummer 45, Le dernier ours du Val de Travers von Simon Beer. Keine Angst, der Bär ist ausgestopft.
Zu den spannendsten Arbeiten gehört auch Crash Test von Fred Fischer (Nummer 53). Der Künstler hat gelb-schwarz bemalte Steine, die für Tests von Steinschlagschutzvorrichtungen dienen, in den Wald geschleppt und zu einem Haufen angeordnet.
Ben Vautier bringt die Stimmung in Môtiers auf den Punkt: Je suis bien ici hat er auf ein Hausdach gepinselt in seiner Markenzeichen-Schnüerlischrift (Nr 58). Weiter unten kann man am Schatten das Absinth-Glace der Familie Schopfer geniessen. Was will man mehr?
- «Le printemps libyen» von Ivan Moscatelli
- «Place polygone» von Petra Köhle und Nicolas Vermot Petit-Outhenin
- «Banc» von Roman Signer
- «Musée Ste-Lucie» von Claude Sandoz
- «Guardian» von Sylvie Fleury
- «Le dernier ours du Val de Travers» von Simon Beer
- «Crash Test» von Fred Fischer
- «Je suis bien ici» von Ben Vautier
Fotos: Andreas Gossweiler
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